Archiv: Alessandra Comini im Gespräch mit Christian Bauer

Augustinussaal, Stift Klosterneuburg

Alessandra Comini: Schiele-Forscherin, Krimiautorin, Unikat

Es ist nicht leicht, Alessandra Comini zu beschreiben. Jedenfalls ist sie eine einzigartige Erscheinung. Ihre Karriere folgt keinem Vorbild und es wird wohl nie mehr jemanden wie sie geben.

Eine junge Texanerin kommt im Jahr 1956 nach Österreich und erlebt die die ungarische Revolution hautnah. Mit ihrem Opel Caravan stellt sie sich der großen Flucht nach Österreich und leistet etwas, das man Jahrzehnte später als „Shuttle-Dienst“ bezeichnet hätte. Sie fährt unentwegt zwischen Hegyeshalom/Nickelsdorf und Wien hin und her, transportiert, versorgt und ermuntert ungarische Flüchtlinge. Jahre später sehen wir eine Kunststudentin in Berkeley/Californien am Weg durch eine kleine Egon-Schiele-Ausstellung. Comini sagt, sie hätte sofort gewusst, dass dieser Künstler sie ein Leben lang in Atem halten würde. Sie möchte nach Wien, die Eltern fördern diesen Wunsch.

Comini kommt an die Albertina und freundet sich – mittlerweile sind wir im Jahr 1963 – mit dem jungen Direktor Walter Koschatzky an. Sie plant eine Schiele-Reise nach Niederösterreich und bittet den Albertina-Direktor um ein Schreiben, das es ihr ermöglichen soll, die einstmalige Gefängniszelle Schieles in Neulengbach zu betreten. Jetzt kommt es zu dem legendären August-Tag, als Comini ihre Tour startet. Als erst Forscherin betritt sie die Tullner Bahnhofswohnung, wo der kleine Egon die ersten 11 Jahre seines Lebens verbracht hatte und landet schließlich in Neulengbach, dem Hauptziel ihrer Reise.

Alessandra Comini hat damals im August 1963 auch Klosterneuburg auf den Spuren Egon Schieles besucht, den Zeichensaal des Gymnasiums betreten und die Witwe des Zeichenlehrers Ludwig Karl Strauch aufgesucht. Überall wurden Fotos gemacht. „Ich war überglücklich, Schieles Schwestern Abzüge meiner Gefängnisfotos geben zu können. Nun folgen Freundschaften mit den Schwestern Egon Schieles, Gerti und Melanie, es entstehen zahlreiche Interviews, die den Menschen Egon Schiele lebendig machen. Die Texanerin macht etwas, das Jahrzehnte später als „Oral History“ bezeichnet werden und einen wichtigen Platz in der Methodensammlung einnehmen sollte.

Viele Bücher über Egon Schiele entstehen und begleiten ihr Leben ebenso wie Freundschaften mit fast allen wichtigen (damals noch lebenden) Wegbegleitern und Pionieren der Forschung: Adele Harms, Erich Lederer, Friederike Beer-Monti, Christian M. Nebehay und vielen anderen mehr. Noch im Jahr 2014 kuratiert Comini eine vielbeachtete Ausstellung zu Schieles Porträts, dem Thema ihrer Dissertation, in der Neuen Galerie New York.

Viele andere Aspekte in Cominis Leben sind ebenso wichtig, doch man bräuchte viel Platz, um alles darstellen zu können. Da ist einmal ihre Karriere als Universitätsprofessorin der Southern Methodist University in Dallas, die nicht nur erfolgreich verlaufe ist, sondern die Menschen in großem Ausmaß bewegt hat. Sechzehnmal wird Comini von der Studenten der Universität zur herausragenden Professorin („outstanding professor“) gewählt, womit eine weitere Seite der großen Forscherin angesprochen ist: Comini fördert Menschen, sie unterstützt und hilft in beeindruckendem Ausmaß. Comini hat auch mich gefördert und ich unendlich dankbar für die Freundschaft, die uns verbindet.

Es gibt aber auch einen weiteren Aspekt, Comini einzigartig macht. Alessandra Comini macht keinerlei Anstalten, „alt werden“ zu wollen. Mit 78 Jahren hat sie ein vollkommen neues Kapitel aufgemacht und ist zur Krimiautorin geworden.

Comini ist der Einladung nach Niederösterreich gefolgt und wird am 2. Juni 2022 über ihren Lebensnahen Zugang zu Egon Schiele und zu all den wunderbaren Orten sprechen, die im Leben und Schaffen des Künstlers eine unverzichtbare Rolle spielen.

ACHTUNG: NICHT BARRIEREFREI ZUGÄNGLICH!

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